Sie ist die Vorlage vieler Bücher, Filme und Spiele unserer Zeit: Die nordische Mythologie. Allerdings handelt es sich dabei nicht um eine einheitliche Religion oder Kulturpraxis. Wenn du dir einen Überblick über die Herkunft, Geschichte und den Inhalt der skandinavischen Sagenwelt verschaffen möchtest, bist du hier genau richtig.
- Odin/Wodan – Göttervater, Kriegsgott
- Thor/Donar – Gewitter- und Wettergott
- Loki – Asischer Gott, Rolle umstritten
- Heimdall – Wächter des Bifrösts
- Hel – Herrscherin des Totenreiches
- Freya – Göttin der Liebe und der Ehe
- Freyr/Frey/Yngvi – Ahnherr der schwedischen Könige
- Balder – Lichtgott
Was bedeutet nordische Mythologie?
Als nordische Mythologie bezeichnet man die gesamte Sagenwelt der im heutigen Skandinavien ansässigen Völker vor der Christianisierung. Das bedeutet, es ist keine einheitliche Religion gemeint, wie wir den Begriff heute verstehen. Da das Gebiet Skandinaviens groß ist und weder sprachlich noch kulturell homogen war, unterschieden sich die Riten und Vorstellungen lokal. Selten finden sich auch Quellen in germanischen Sprachen.
Deshalb gibt es auch häufig verschiedene Versionen von Götternamen. Das sieht man zum Beispiel an den berühmten Göttern Odin und Thor, welche im Germanischen Wodan und Donar genannt wurden. Außerdem muss bedacht werden, dass es im Gegensatz zur katholischen und protestantischen Kirche keine Institution gab, die die Götterwelt und die Ausübung festlegte.
Nordische Schutzgeister und Götter
In der Forschung wird heute davon ausgegangen, dass sich das Heidentum in zwei Bereiche unterteilen lässt: Den Glauben an Schutzgeister und Götter. Für Schutzgeister wurde vor allem angenommen, dass sie in besonderen Orten in der Natur lebten oder in der Gestalt von Tieren auftraten, während Götter in Menschengestalt erscheinen sollten.
Geschichte der nordischen Religionen
2200-800 v.Chr.: Bronzezeit
1500-1300 v.Chr.: Erste Quellen für schamanische Rituale
Schon 1500-1300 v.Chr. finden sich erste Quellen, die die Ausübung von Sonnen- und Fruchtbarkeitskulten belegen. Sie liefern und Hinweise darauf, wie die frühe vorchristliche Kultur in den skandinavischen Ländern ausgesehen haben könnte. So finden sich aus dieser Zeit besonders Felseinritzungen, die die Zeit überdauern konnten.
1500-1000 v.Chr.: Feuerbestattung
Als weiterer Hinweis auf religiöse Praktiken wird die Feuerbestattung gesehen, welche im zweiten Jahrtausend v.Chr. durchgeführt worden sein soll. Es wird vermutet, dass sie dazu diente, die Seele vom Körper zu befreien, und für ein Leben im Jenseits vorzubereiten. Quellen sind beispielsweise Urnenfunde aus diesem Zeitraum.
1000 v.Chr.-800 n.Chr.: Unterschiedliche Quellen
400 v.Chr.: Schiffsbestattungen
Um 400 v.Chr. lässt sich eine Änderung in der Bestattungspraxis feststellen. So werden Menschen, insbesondere solche, die einem höheren Stand angehörten, in ihrer vollen Tracht auf einem Schiff voller wertvoller Gaben bestattet. Wie in der griechischen Antike wurden dem Toten auch hier häufig Münzen in den Mund gelegt, möglicherweise um die “Überfahrt” ins Jenseits bezahlen zu können.
0-100 n.Chr.: Erste schriftliche Quellen
Erste schriftliche Quellen finden sich im ersten Jahrhundert n.Chr. Besonders die Beschreibungen des römischen Geschichtsschreibers Tacitus sind in diesem Zusammenhang zu nennen. Aber auch die Votivsteine germanischer Soldaten sind überliefert und enthalten oft kurze Botschaften.
5. Jh. n.Chr.: Älteste Darstellung der Midgardschlange in Lyngby
Die älteste bekannte Abbildung der Midgardschlange, einer um die Welt herumliegenden Schlange, welche sich in ihren eigenen Schwanz beißt, stammt von einem Medaillon aus dem 5. Jahrhundert n.Chr., das in Lyngby gefunden wurde. Weitere Darstellungen finden sich beispielsweise auch im 8. und 12. Jahrhundert.
6. Jahrhundert n.Chr.: Überlieferung des Prokop
Eine weitere wichtige Quelle stammt vom Geschichtsschreiber Prokop, welcher im 6. Jahrhundert n.Chr. beschrieb, dass die Einwohner des heutigen Norwegens Götter und Geister in der Natur verehrten und jenen in einer wichtigen Opfertradition verbunden waren. Ares, beziehungsweise Tyr, wird dabei als höchster Gott genannt. Daher wird vermutet, dass dieser ein Vorläufer von Odin sein könnte.
800-1300 n.Chr.: Skalden und Island-Sagas
Ab 900 n.Chr.: Skaldendichtung und Etablierung des Kriegerstandes
Es wird vermutet, dass ein großer Teil der Mythenwelt erst ab dem 9. Jahrhundert n.Chr. entstand. Das liegt daran, dass viele Mythen aus der Skaldendichtung und dem Kriegerstand stammen. Letzterer entwickelte sich der historischen Forschung zufolge erst ab dem 9. Jahrhundert. Allerdings wird ebenfalls angenommen, dass viele Bestandteile, die aufgegriffen wurden, vorher schon zirkulierten, wie die früheren Quellen zeigen.
900-1000 n.Chr.: Frühe Erwähnungen in isländischen Sagas
Schon um 1000 n.Chr. erwähnten die ersten isländischen Sagas Gestalten der nordischen Mythologie. So ist insbesondere die Egils saga von 934 n. Chr. zu nennen. Sie enthält einen Fluch, der Odin, Frey und Njörd nennt. Auch im Skírnismál, einem Götterlied aus der Lieder-Edda kommen Flüche vor, welche Odin, Thor und Frey anrufen.
13. Jahrhundert n.Chr.: Die berühmten Eddas
Besonders berühmte Isländer-Sagas sind die “Ältere Edda”, die “Lieder-Edda” und, darauf basierend, die “Snorra-” oder”Prosa-Edda” Snorri Sturlusons. Viel von dem, was heute über die nordische Mythologie angenommen wird, stammt aus der Snorra-Edda. Beachtet werden muss allerdings, dass diese aus einer Zeit stammt, in der das Christentum schon seit etwa 200 Jahren in Skandinavien verbreitet war. Auch die berühmten Familienfehden, die die Edda beschreibt, stammen so aus einer Zeit zwei Jahrhunderte vor der Niederschrift. Daher kann nicht mit Sicherheit gesagt werden, wie akkurat die Snorra-Edda die mythologische Praxis wiedergibt.
1000-1300 n.Chr.: Prozess der Christianisierung
Die Christianisierung der skandinavischen Bevölkerung erfolgte größtenteils im Zeitraum von 1000-1300 n.Chr. Der Prozess begann in Dänemark und breitete sich über Norwegen und Schweden bis nach Island aus. Dabei wird zwar besonders einzelnen Königen wie Hákon I. und Óláfr I. Trygvasson und Óláfr II. aus Norwegen eine besondere Bedeutung zugeschrieben, allerdings spielte auch der Handel und die kulturellen Beziehungen zwischen den skandinavischen Ländern und zu den Ländern Mitteleuropas eine wichtige Rolle. Auch der Einfluss keltischer Sklaven und Sklavinnen, welche unter anderem in der Kindererziehung tätig waren, wird in der Forschung als wichtiger Faktor erachtet.
Quellenlage: Woher wissen wir, wie die nordische Mythologie aussah?
Die Quellen, aus denen wir heute wissen, wie die nordische Mythologie aussah, stammen nur zum Teil von archäologischen Artefakten. Auch die Übersetzung altnordischer Runen,der sogenannten isländischen Sagas (isländischer Begriff für bestimmte Geschichten aus dem Mittelalter) und die römische Geschichtsschreibung überlieferten uns das Wissen über die Götter und Welten.
Was tatsächlich überliefert wurde, stammt eher von Skalden am königlichen Hof. Daher ist nicht ganz klar, inwieweit das Gedankengut in der Bevölkerung verbreitet war und welche Götter wie verehrt wurden.
Die Snorra Edda
Eine weitere Quelle, die gerne herangezogen wird, ist die sogenannte Snorra Edda. Der Verfasser, Snorri Sturluson, war ein isländischer Dichter des 12. Jahrhunderts, von dem einige der heute wichtigsten altnordischen Quellen stammen.
Dazu gehört die so genannte Lieder-Edda. Deshalb wird die Edda, die wir als Quelle für Sachverhalten nordsicher Mythologie heranziehen, zur Abgrenzung auch häufig Prosa-Edda genannt wird. Die Motivation dabei soll gewesen sein, nordische Mythen zu erhalten, da Snorri fürchtete, dass sie durch die Christianisierung des Nordens verloren gehen könnten.
Bedenken sollten wir dabei, dass die Snorra Edda keine genaue Beschreibung dessen ist, was die Menschen in ihrem Alltag glaubten oder praktizierten. Stattdessen findest du hier eher skaldische Überlieferung. Allerdings bildet gerade diese die Grundlage für das, was wir heute über die nordische Mythologie wissen.
Was genau praktiziert wurde und wie das in Zusammenhang mit der Mythologie stand, die uns heute überliefert ist, ist nur schwierig zu ermitteln. Denn auch wenn man beispielsweise Artefakte gefunden hat, die aus der Bronzezeit stammen sollen, konnte man daraus bis heute nicht schlüssig ablesen, welche Entitäten zu welcher Zeit genau verehrt wurden.
Vermutet wird, dass Schamanen praktizierten und es zeitweise einen regen Fruchtbarkeits-kult gegeben haben soll, der auch Opfergaben beinhaltete.
Auch sogenannte Votivsteine, also Gottheiten oder verehrten Persönlichkeiten gewidmete Steine, wurden gefunden. Ihre Inschriften sind allerdings so kurz und häufig ohne Vorwissen nicht verständlich, dass sie oft keine guten Quellen für die Geschichtsforschung darstellen.
Dazu kommen lokale und soziale Unterschiede. Betrachten wir beispielsweise Island: Es wird angenommen, dass Thor dort beispielsweise besonders von Bauern als Gott des Donners, der Fruchtbarkeit, des Regens und des Windes verehrt wurde. Freyr wurde ebenfalls von isländischen Bauern verehrt und sollte über Vieh, insbesondere Pferde und Schweine, wachen. Odin, der heute als Göttervater gilt, soll auf Island jedoch gar nicht verehrt worden sein.
Welten: Von Midgard bis Hel
Die Mythenwelt teilte sich in neun Welten auf, die von unterschiedlichen Wesen bewohnt und beherrscht wurde. Die Welt der Götter und der Sterblichen wurde durch eine Brücke verbunden. Diese Regenbogenbrücke wurde als Bifröst bezeichnet. Im Folgenden findest du einige wichtige Welten der nordischen Mythologie:
Midgard: Die Welt der Menschen
Midgard ist die Welt, in der die Menschen leben. Umgeben ist sie von einem Meer, dem Weltenmeer, in dem die sogenannte Midgardschlange lebt. Würde man eine Karte zeichnen, so läge Midgard im Zentrum, während sich die übrigen Welten darum verteilen.
Asgard: Die Welt der Götter
In Asgard sind die Götter Zuhause, genauer gesagt das Geschlecht der Asen. Aufgeteilt ist diese Welt in verschiedene Gebiete, über die unterschiedliche Götter herrschen.
Das Totenreich Hel
Das Totenreich liegt unter der Welt der Menschen und wird von der Todesgöttin Hel bewacht. Ihr Oberkörper ist der einer wunderschönen Frau, während der Unterkörper bloß ein Skelett ist. Das soll die Vergänglichkeit allen Lebens symbolisieren.
Jötunheim und Utgard: Die Welt der Riesen
In Utgard leben Riesen und allerlei bösartige Geschöpfe, die darauf warten, die am Ragnarök, dem Tag des Kampfes vom Göttern gegen Menschen, anzugreifen.
Ragnarök
Der Begriff des Ragnarök kommt aus dem Altnordischen und bedeutet so viel wie “Schicksal der Götter”. Dabei handelt es sich um die Prophezeiung des Weltuntergangs, welche aus dem um 1000 n.Chr. entstandenen Gedicht Völuspá stammt. Er besteht aus einem dreijährigen Kampf der Götter mit den Riesen und dem dreijährigen Fimbulwinter, bevor die Welt endgültig untergeht.
Weitere wichtige Orte und Ereignisse der mythischen Welt
- Wanaheim (eingedeutscht, eigentlich Vanaheimr): Heimat des Göttergeschlechts der Wanen
- Ljosalfheim (auch Álfheimr): Heimat der Lichtalfen und vermutlich von Freyr
- Svartalfheim: Heimat der Zwerge und Naturgeister
- Muspelheim: Feuerreich im Süden
- Niflheim: Eiswelt im Norden
- Yggdrasil, der Lebensbaum, auch Weltesche genannt: Ein Baum, der sich über alle neun Welten ausbreitet und ihre Gesamtheit symbolisiert
- Walhall: Ziel aller Krieger nach ihrem Tod. Hier warten und trainieren sie gemeinsam mit Odin für den Tag des Ragnarök.
- Ragnarök: Der Weltuntergang, ausgelöst durch den Kampf zwischen Göttern und Riesen. Danach soll allerdings eine neue Welt entstehen.
Götter und andere mythische Wesen
Die Asen: Das kriegerische Göttergeschlecht
Die Asen sind das jüngere Göttergeschlecht und werden in der Snorra Edda als kriegerisch und stark charakterisiert.
Sie verloren den Krieg gegen die Wanen, doch errungen eine Gleichberechtigung und schickten als Versicherung des Friedens Hönir, den ständigen Begleiter Odins, zu den Wanen.
Sie sind nicht unsterblich, aber halten sich mit Hilfe der Göttin Iðunn, die für Unsterblichkeit und Jugend zuständig ist, jung.
Welche Götter gehören zu den Asen?
- Odin/Wodan: Der Göttervater, Gott des Krieges und der Toten
- Frigg: Odins Frau
- Thor/Donar: Der Gewitter- und Wettergott
- Loki: Negative Rolle im Ragnarök, aber ursprüngliche Rolle umstritten
- Hel: Die Göttin der Unterwelt
- Heimdall: Der Brückenwächter des Bifröst
- Saga: Die Göttin der Dichtkunst
Die Wanen: Fruchtbarkeits- und Wohlstandsgötter
Obwohl die Wanen im Kampf gegen die Asen gewannen, stimmten sie einer Gleichberechtigung zu. Im Geiselaustausch nach dem Wanenkrieg sandten sie die Zwillinge Freya und Frey sowie den Meeresgott Njörðr zu den Asen. Ihre Heimat ist Wanaheim und sie wurden vor allem als Fruchtbarkeits- und Wohlstandsgötter gesenen. Außerdem sind sie unsterblich, wenn sie nicht getötet werden.
Welche Götter gehören zu den Wanen?
- Freyr: Ahnengott der schwedischen Könige, steht auch für Frieden und Fruchtbarkeit
- Freya: Die Göttin der Liebe, Ehe und Fruchtbarkeit
- Njörðr: Der Wind- und Meeresgott
Museen für nordische Mythologie und Geschichte
Wenn du mehr über nordische Mythologie und Geschichte erfahren möchtest, empfehlen wir dir die folgenden Museen in Skandinavien, in denen es dauerhafte Ausstellungen gibt.
- Dänisches Nationalmuseum Kopenhagen
- Viking Museum Stockholm
- Historiska Museet Stockholm
- Historisk Museum Oslo
- Snorrastofa Reykholt
Im deutschsprachigen Raum hast du beispielsweise im Neuen Museum in Berlin die Chance, beeindruckende Wandmalereien der Nordischen Mythologie auf dich einwirken zu lassen. Dazu ist auch das Wikinger Museum Haithabu in Schleswig eine Reise wert.
Quellen:
https://de.wikipedia.org/wiki/Nordische_Mythologie
Líndal, Sigurður (2011): Eine kleine Geschichte Islands. Berlin: Suhrkamp Taschenbuch Verlag.
Tuchtenhagen, Ralph (2008): Kleine Geschichte Schwedens. München: Verlag C.H. Beck.